R E P O R T A G E
Die internationale Fernsehproduktion der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) in Hockenheim
Motorsport: Wenn Kameraleute in feuerfesten Overalls arbeiten
150 Mitarbeiter – 50 HD-Kameras auf dem Erdboden, 18 Gerüsten, drei Steigern, Autos und Hubschrauber – Kameraleute bei Hochsommerwetter in feuerfesten Overalls – „The Gallery“ mit drei innovativen Regien – neuer Fernsehpartner – Benzingeruch und das Motto „Laut. Nah. Dran.“, sind die Eckpunkte zum Saisonauftakt beim Motorsport der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) in Hockenheim.
Text: Bernhard Herrmann
Wenn 150 Mitarbeiter aus Kreativ-, Redaktions- und Produktionspersonals nach Baden-Württemberg reisen, ein noch verfügbares Hotel 28 Kilometer vom Geschehen entfernt liegt, alle Kameraleute Gehörschutzstöpsel tragen und einige bei Hochsommerwetter in feuerfesten Overalls arbeiteten müssen, Benzingeruch in der Luft liegt, sind wir bei der TV-Produktion des Auftaktrennens der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) am Hockenheimring angekommen.
Auf der 4,574 Kilometer langen Rennstrecke bei Hockenheim begann am ersten Wochenende im Mai die32. DTM-Saison.Insgesamt 20 Rennen werden an 10 Wochenenden auf neun Rennstrecken in Deutschland, Italien, Niederlande, Großbritannien, Österreich und Ungarn ausgefahren. 18 Rennfahrer aus 10 Nationen sind die Hauptdarsteller der populärsten internationalen Tourenwagenserie, die das Motto „Laut. Nah. Dran.“trägt. Rechteinhaber, Organisator und Vermarkter der DTM ist die Internationale Tourenwagen-Rennen (ITR) GmbH in Stuttgart. Das Team um den 1. Vorsitzenden, Gerhard Berger, der erfolgreicher und langjähriger Rennfahrer in der Formel 1 war, hatte die nationalen Fernsehrechte, die 18 Jahre bei der ARD lagen, erstmals an Sat.1 vergeben. Der Exklusiv-Vertrag zwischen 7Sports, der Sportbusiness-Unit der ProSiebenSat.1 Group, und der ITR hat eine Laufzeit von zwei Jahren. Die Livesendungen bei Sat.1, produziert und gesendet in 1080i (ARD 720p), beginnen am Samstag und Sonntag um 13.00 Uhr (außer beim Nachtrennen in Italien), mit einer 30-minüten Vorberichterstattung, dem Rennen und 15-minüten Nachberichten. Für das Publikum an den Rennstrecken gibt es ein abwechslungsreiches Eventprogramm. Gerhard Berger wünscht sich, dass „jedes Rennwochenende ein familienfreundliches Festival werden soll“.
Dieses Jahr sind die Automobilhersteller Audi, BMW und Mercedes-AMG mit Teams beteiligt. Laut Reglement für 2018 ist das Gewicht der Wagen mit Fahrer und TV-Technik auf 1031 Kilogramm beschränkt. Die Rennwagen mit V8-Motoren und vier Litern Hubraum erreichen eine Leistung von über 500 PS.
Das Interesse der Medienvertreter aus 18 Ländern mit 210 permanent zur DTM und 120 nur für Hockenheim akkreditierten Personen war laut ITR sehr groß.
Mit der internationalen TV-Produktion der DTM, die im Fernsehen in […]Ländern zu sehen ist, hat die ITR TV Skyline aus Mainz beauftragt, die zur Durchführung des Gesamtauftrags weitere Dienstleister engagieren. Host Broadcaster ITR und Sat.1 produzieren alle Autorennen, wie in Hockenheim, mit enormen Aufwand.
Für die ITR führt Regisseur Thomas Strobl die Regie über das DTM-Worldfeed. In seinem Kameraplan für Hockenheim sind insgesamt 50 HD-Kameras eingezeichnet. Diese verteilen sich auf die Rennstecke, Boxengasse, Rennwagen, Speedlifter, Kräne, Steiger und Hubschrauber. Eine Kamera steht auf einem 40 Meter hohen Steiger und zwei Kameras jeweils auf einem 70-Meter-Steiger. Je eine Kamera hängt am Kran in der Spitzkehre und dem Kran am Ende der Zielgeraden. Ein Hothead steht auf einer Mauer am Ende der Boxengasse. Drei Chipkameras nehmen die Mechaniker beim Reifenwechsel an den Rennwagen oberhalb von drei Boxen auf. Eine weitere Chipkamera zeigt die Startampel. CubeCams stehen oberhalb der Startampel mit Blick auf die Startaufstellung und an der Ein- und Ausfahrt zu und von den Boxen. Für sechs Kameras realisierte Riedel Communications die Drahtlosübertragungen. Dazu wurden vier Handkameras mit Weitwinkel-Optiken in der Boxengasse eingesetzt. Eine drahtlose Highspeed-Kamera in einem Quad stand für das Gelände des Hockenheimrings bereit. 12 HD-Minikameras mit 8mm-Optiken sind zu jeweils drei Stück in zuvor von der ITR festgelegten Rennwagen montiert. Für 18 Kameras mussten Gerüste mit verschiedenen Höhen aufgebaut werden. […]Kamerapositionen waren mit insgesamt […]Metern Glasfaserleitungen zum TV-Compound fest verkabelt. Die HD-Kameras sind mit 3-mal 21-fach, 3-mal 26-fach, 3-mal 70-fach, 1-mal 76-fach, 12-mal 86-fach und 2-mal 101-fach HD-Optiken bestückt. Mit diesen Kameras konnte sichergestellt werden, dass sowohl 18 Rennwagen, Protagonisten, Boxencrews, Kommandostände und das Publikum zu keinem Zeitpunkt aus den Augen verloren wurde. Szenen, die nicht sofort gezeigt werden konnten, wurden aufgezeichnet und sobald es die Gelegenheit gab, re-live aus mehreren Blickwinkeln auch in Zeitlupen gezeigt.
Produktionsleiterin Claudia Köhler von TV Skyline rückte am Montagnachmittag mit einer Flotte von Produktionsfahrzeugen nach Hockenheim an. Am Samstag und Sonntag realisieren jeweils 150 Mitarbeiter die TV-Produktion. In der Tonregie von zwei Ü-Wagen wurde der Mehrkanalton in Dolby Digital 5.1 von vier Toningenieuren, acht Tontechnikern und mit […]Mikrofonen hergestellt. Drei Bildingenieure und neun Bildtechniker sorgen für brillante HD-Fernsehbilder. 11 Slomo-Operator und ein EVS-Operator zeichnen alle Szenen der Kameras auf, die in irgendeiner Weise für das Renngeschehen und abseits der Strecke relevant sind.
Wolfgang Reeh, Geschäftsführer von TV Skyline, brachte als Premiere „The Gallery“ mit. Dabei handelt es sich um einen silberfarbenen Sattelauflieger mit Platz für drei Bildregien und einen Büroraum, der an beiden Längsseiten ausgezogen und bis auf Räderhöhe abgesenkt wird. An der Stirn- und Heckseite befinden sich zwei Stufen hohe und breite Aufgänge zu zwei Eingängen mit kleinen Vorräumen. Vom Heckeingang ging es hinter einer gläsernen Schiebetür auf der linken Seite zu vier Arbeitsplätzen in der „Regie A“ (international). Die UHD-Monitorwand aus acht nahezu randlosen 55-Zoll Flachbildschirmen, die jeweils in 16 Kamerabilder aufgeteilt werden können, fiel sogleich mit dem sehr großen Blickwinkel auf. In der Arbeitsplatte sind ein […]Bildmischer, drei Kommando-Bedienfelder von […]und […]integriert.
Hinter einer Schiebetür Richtung Front sitzen die Mitarbeiter von Sat.1 in der „Regie B“. Dort gibt es sechs 55-Zoll UHD-Monitore, einen […]Bildmischer und ebenfalls drei Kommando-Bedienfelder. Hinter der dortigen Monitorwand befindet sich ein kleiner Büro- und Besprechungsraum. Gegenüber der „Regie A“ liegt die „Regie C“. Dort arbeiten vier Mitarbeiter für das DTM-TV, was für die Fans und das Publikum auf dem Hockenheimring hergestellt wird. Neben drei 55-Zoll UHD-Monitoren sind dort ein […]Bildmischer, zwei Kommando-Bedienfeldern und ein […]Tonmischer integriert. Die drei klimatisierten Regien von „The Gallery“ können auf alle Grafik-, Interkom, Bild- und Tonsignale zugreifen. „Das Arbeiten in den drei zusammenliegenden Regien ermöglicht den sofortigen persönlichen Austausch der Mitarbeiter und stellt ein entspannteres Arbeiten in den jeweiligen Separees dar“, sagt Wolfgang Reeh.
Am Rennsamstag hieß es für alle früh aufstehen, den um 07.30 Uhr fand die Regiebesprechung im TV-Compound statt. Regisseur Thomas Strobl betonte dabei, dass „der Senderwechsel als Chance zu betrachten ist. Gemeinsam wollen wir das Ziel erreichen, die qualitativ hochwertigste Tourenwagen-Übertragungen herzustellen. Dafür sind die Perspektiven optimiert worden. Auch die technischen Neugestaltungen sollen programmprägend werden. Das redaktionelle neue Storytelling stellt die Rennfahrer und Teams in den Mittelpunkt unserer Berichterstattung. Jetzt gilt es, in neuartigen Dimensionen zu denken sowie mit Mut und Schwung an die Arbeit zu gehen.“ Anschließend besetzte das Personal bei Sonnenschein und Außentemperaturen um die 28 Grad Celsius die Kamerapositionen und weiteren Arbeitsplätze.
Auf einer Wiese außerhalb der Rennstrecke landet ein blauer Hubschrauber. Der Eurocopter EC 120 von HD-Skycam ist mit einer Unimount-Kamerahalterung ausgestattet. „Das ist eine dänische Konstruktion, von der es nur zwei in Europa gibt“, sagt Klaus Stuhl, Firmenchef und Kamera-Operator. Das System besteht aus einem 5-Achsen gyrostabilisierten Kamerasystem Cineflex V14 HD und einer Sony HDC 1500 R Kamera mit Fujinon HA42x9,7 Optik, die um 360 Grad frei schwenkbar und nach dem Start des Helikopters herunterfahrbar ist. Über ein Control Panel werden alle Funktionen von Kamera und Gimbal gesteuert. Die Halterungen (Unimount, Antennen) sind von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) für diesen Hubschraubertyp zugelassen.
Klaus Stuhl arbeitet mit einem 17-Zoll-HD-Monitor und einem sieben Zoll HD-Monitor auf der Co-Piloten-Seite. Für die Helicopter- und Kameratechnik zeichnet HD-Skycam und für die Übertragungstechnik Riedel Communications verantwortlich. Der Operator ist seit 2007 bei der DTM im Einsatz und weist mehr als 6000 Flugstunden als Hubschrauber-Kameramann aus.
Nur mittels Helikopter konnte beim Sonntagsrennen der kilometerlange Rad-an-Rad-Zweikampf der Rennfahrer Timo Glock (BMW) und Gary Paffett (Mercedes-AMG) bei Geschwindigkeiten von bis zu etwa 270 Stundenkilometern den Fernsehzuschauern von oben mit erschütterungsfreien Bewegtbildern gezeigt werden.
Am Erdboden filmten diese Szenen auf der langen Geraden ein Speedlifter, der am Hockenheimring neben der Strecke auf gleicher Höhe mit den Rennwagen auf einer Entfernung von etwa 110 Metern mit rund 220 Stundenkilometern mitfährt und damit ruckelfreie TV-Bilder zeigt. Basisfahrzeug ist ein VW Touareg W12 mit 450 PS, ausgestattet mit Kamera-Halterungen vorne, auf dem Dach und am Heck (fahrbar mit einem Hub von vier Metern). Laut Klaus Stuhl besteht die HD-Skycam Kameratechnik aus der Cineflex V14 HD, mit einer Sony HDC 1500 R Kamera und HA22x7,8 Fujinon Optik. Die Cineflex wird mit einer Up-side-down-Software bewegt. Ein Vibro-Isolator dämpft die starke Beschleunigung und Verzögerung. Im Wageninneren befindet sich ein 17-Zoll-Monitor für Marc Heinemann, der seit drei Jahren Operator bei HD-Skycam für dieses Fahrzeug von TVTEC ist. Auf einem sieben Zoll Monitor verfolgt Fahrer Michael Rathgeber das Renngeschehen linksseitig neben ihm.
Riedel Communication ist ab dieser Rennsaison auch für die HD-Minikameras und drahtlose Bild-, Ton,- und Datenübertragung aus den DTM-Rennwagen sowie die Sprechfunk-Kommunikation zuständig. Dazu wurde laut Geschäftsführer Thomas Riedel bis zu vier HD-Minikameras in von der ITR ausgewählten Rennwagen installiert. Mit einem 2-Wege-Sendeweg im Übertragungsbereich 2 bis 3 Gigahertz und einem eigenentwickelten mini Videomischer in den Fahrzeugen, erfolgen die Signalübertragungen zu den Empfängern im Riedel-Techniktruck und zu den Ü-Wagen. Riedel war auch für das gesamte Audio- und Videoverteilnetz zuständig, was Rennteams, Zeitmessung, Rennkontrolle, Hospitalities der Automobilhersteller und Videowände auf dem Hockenheimring nutzen. Dazu ist Riedels Artist Intercom und MediorNet errichtet worden. Darin waren alle TV-Produktionseinheiten und die Rennkontrolle per Interkom-Panels, Audio- und Video, die IT-Infrastruktur für die Produktion und der gesamte Sprechfunkverkehr auch mit den Rennfahrern mit […]Funkgeräten auf […]Kanälen im Tetra Digitalfunk integriert. „Das Glasfaser basierte Netz ist in Hockenheim etwa sieben Kilometer lang, sehr flexibel nutzbar und beinhaltet ein neues Audio-Netz“, sagt Thomas Riedel.
Die Datenerfassung und Zeitmessungen mit grafischer Darstellung liegt bei Wige Solutions. Am linken Bildschirmrand ist in neuer lindgrüner DTM-Schrift zu sehen: herunterlaufende Zeit, Fahrer mit Namenskürzeln und Rennposition, Startnummer, Automarke, DRS-Runden und ob der Wagen in der Box war. Weitere Grafiken wurden nach Bedarf eingeblendet. Wenn die Onboard-Kameras „geschnitten“ waren, wurde der Tachometer mit Geschwindigkeit, Drehzahl und der gewählte Gang des Rennwagens angezeigt. Parallel ist der Stereoton aus diesem Wagen zu hören.
Das Sonntagrennen in Hockenheim gewann Timo Glock (BMW) vor Mike Rockenfeller (Audi) und dem Drittplatzierten Gary Paffett (Mercedes-AMG).
Die Sat.1-Sendung erreichte am Sonntag 0,63 Millionen Zuschauer bei einem Marktanteil von 6,3 Prozent. Am Samstag schauten 0,70 Millionen Zuschauern das Rennen bei einem Marktanteil von 8,3 Prozent.
Timo Glock sagte auf dem Siegerpodest gegenüber Sat.1: „Es war das geilste Rennen meines Lebens.“. Jens Marquardt, BMW Motorsport Direktor, ergänzte: „Das war die perfekte Werbung für den Motorsport und die DTM.“
0 Comments